Historie
Die Wolskermarsch im Cuxhavener Stadtteil Sahlenburg ist eine relativ kleine Marschen-„Linse“ (siehe „Übersichtskarte“), die nach dem zweiten Weltkrieg die Keimzelle des Nordsee-Tourismus in der damals noch selbständigen Gemeinde Sahlenburg war. Mit Zelten auf der Kuh- und Pferde-Weide der Bauern fing es an. Bebauung folgte. Die touristische Nutzung war wichtig, um den Menschen in der Region und auch in dieser kleinen Gemeinde nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch wieder eine Lebensgrundlage zu erarbeiten. Deshalb wurde sie auch vom Land Niedersachsen unterstützt. Bei der vom Land betriebenen Vorlandgewinnung wurde Sahlenburg ausgespart, um durch „Strandleben“ die touristische Entwicklung zu ermöglichen und zu beschleunigen. Das hat geklappt.
Erste Pläne für einen Deichbau zum Schutz der Wolskermarsch stellte das Niedersächsische Hafenamt Cuxhaven 1957 im Rat der Gemeinde Sahlenburg vor.
Seitdem ist nun die Wolskermarsch das wohl einzige bebaute und intensiv touristisch genutzte Marschengebiet in Niedersachsen, das nicht durch einen Deich vor Sturmfluten geschützt wird. Die höchste Sturmflut 1976 richtete deshalb in der Wolskermarsch erhebliche Schäden an Gebäuden, Wohnwagen und der Camping-Infrastrukturen. an. Ein Chronist schrieb: „Wie von Riesenhand durcheinander gewirbelt – Ein Bild völliger Zerstörung zeigt die Wolskermarsch in Sahlenburg. Aufgeplatzte Wohnwagen und kleine Ferienhäuschen türmen sich übereinander wie ein Haufen lose verstreuter Streichholzschachteln. Sachschäden großen Ausmaßes müssen festgestellt werden.“ Von „etwa 400 völlig zerschlagenen Campingwagen“ ist an anderer Stelle die Rede. Bei dieser Sturmflut wurde der nur vorhandene Damm, der Bestandteil des städtischen Straße Am Sahlenburger Strand ist, von den Fluten auf breiter Front überströmt. An einer Stelle rissen die Fluten ein Loch in Straße und Damm. Der Damm ist weniger als 5 m hoch (bezogen auf NN). Die Sturmflut am 03.01.1976 hatte als höchsten Stand des Pegels am Steubenhöft NN + 5,10 m. Das waren 3½ m über dem mittleren Tidehochwasser. Die Wellen gehen deutlich höher darüber hinaus. Die Sachschäden in der Wolskermarsch gingen in die Millionen.
Ein Überfluten des Dammes konnte beim Orkan „Xaver“ am 5./6.12.2013 verhindert werden, weil der Oberbürgermeister die Feuerwehr auf dem Damm am 05.12. Sandsäcke stapeln und Bigpacks aufstellen ließ.
Seit der Eingemeindung von Sahlenburg in die Stadt Cuxhaven 1971 hat es immer wieder Bemühungen gegeben, den bis dahin versäumten Deichbau nachzuholen. Das scheiterte zunächst am Widerstand Betroffener, die sich politisch Gehör verschafften. Heute ist es aber politischer Konsens und Bestreben vor allem der nachgekommenen Eigentümer der touristisch genutzten Grundstücke, vor Sturmflutgefahren in gleicher Weise geschützt zu werden wie andere Marschenbewohner überall an der niedersächsischen Nordseeküste. Für gleiche und damit auch gleich sichere Lebensverhältnisse zu sorgen, gibt das Grundgesetz den Behörde und staatlichen Stellen auf, die für den Küstenschutz in der Verantwortung stehen (Art. 91 GG).
2008 bat der Oberbürgermeister der Stadt Cuxhaven den Cuxhavener Deichverband, die Trägerschaft für den Deichbau in der Wolskermarsch zu übernehmen. Zwar liegt die Wolskermarsch außerhalb des Verbandsgebietes dieses Verbandes. Die örtliche Nähe spricht aber dafür, den örtlich nächsten Nachbarverband mit Zuständigkeit innerhalb der Stadt später auch für die Wolskermarsch zuständig zu machen. Nach verbandsinterner Diskussion entschieden Vorstand und Ausschuss des Cuxhavener Deichverbandes, bereit zu sein, zunächst jedenfalls die Trägerschaft für die Planung eines Deichbaus zu übernehmen. Ob auch die Trägerschaft für den Bau akzeptiert wird, sollte nicht entschieden werden, bevor erkennbar war, ob die Deichplanung auf den anhaltenden Widerstand der Betroffenen stoßen würde. Seit dem 03.03.2009 enthält die Satzung des Cuxhavener Deichverbandes deshalb die Bestimmung (§ 2 Absatz 3): „Der Verband macht sich zur Aufgabe, Träger der Planung eines Sturmflutschutzes für die Wolskermarsch in Cuxhaven-Sahlenburg gemäß Generalplan für den Küstenschutz zu sein.“
Die Bezugnahme auf den Generalplan für den Küstenschutz, den der zuständige Umweltminister des Landes Niedersachsen 2007 bekanntgegeben hatte, ist bedeutsam. Zum einen weil in der vom Ministerium 2006 erarbeiteten Neuauflage des Generalplans erstmalig die Notwendigkeit der Eindeichung der Wolskermarsch dokumentiert wurde und das Projekt damit zu einem vom Land Niedersachsen gewollten und unterstützten Deichbauprojekt wurde. Zum anderen war das Projekt in dem Generalplan beim Cuxhavener Deichverband eingeordnet worden, der jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Zuständigkeit für Sahlenburg hatte. Mit der Ergänzung der Satzung wollte der Deichverband nicht nur eine Legitimation gegenüber seinen Mitgliedern schaffen, sondern vor allem sich in den Dienst der Sache zu stellen, die mit der Aufnahme in den Generalplan zu einem Konsens auch auf überörtlicher Ebene geworden war.
Die ersten Jahre der Beschäftigung waren zwar mühselig, brachten aber einen ersten breiten Konsens in der Frage, wie wir uns einen Deich vor der Wolskermarsch vorstellen können. Aufgegriffen wurde die alte Idee des Gutachters Dr. Christiansen, der eine Düne anstelle eines Deiches in Erwägung gezogen hatte, und die Erfahrung, die man in Duhnen am Dünenweg und in Döse beim Fort Kugelbake mit überwachsener steinerner „Außenhaut“ gemacht hatte. Dort wurden nämlich in den 1970er und 80er Jahren Betonsteine der holländischen Firma Haringman verbaut, die im Laufe der Zeit von Flugsand überdeckt wurden und gleichwohl an manchen Stellen im Sommerhalbjahr als Blütenpracht der Ruderalvegetation präsentierte (siehe Fotos). Begünstigt ist dies durch die Profilierung der Haringmansteine, die ruderal bewachsenen Boden in der „Mulde“ hält.
Planfeststellungsverfahren
Vor uns liegt jetzt ein deichrechtliches Planfeststellungsverfahren, das am Ende festlegt, wie der Deichschutz für die Wolskermarsch aussehen soll – Höhe, Länge, Breite, Lage, Bauart, Baumaterialien, Einbauten, Wegequerungen usw. Das förmliche Verfahren bietet allen Betroffenen Gelegenheit, ihre Wünsche, Besorgnisse und Anregungen den Planern zur Kenntnis zu bringen, die diese nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch auf Verwertbarkeit zu prüfen und abzuwägen haben – und zwar auch, wenn ihnen planerisch nicht gefolgt wird. Eine Beteiligung von Planungsbetroffenen und Öffentlichkeit hat am 23.09.2019 im Wattenmeer-Besucherzentrum in Sahlenburg stattgefunden. Auf dieser Veranstaltung der Stadt Cuxhaven hat der Schultheiß des Cuxhavener Deichverbandes zugesagt, die Öffentlichkeit auch weiter zu informieren und Betroffenen Gelegenheit zu geben, ihre Belange einbringen zu können.
Planfeststellungsbehörde ist der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN), Geschäftsbereich VI in Lüneburg.
Finanzierung
Eine andere Dienststelle des NLWKN, nämlich der Geschäftsbereich in Oldenburg, ist zuständig für die Bewilligung der Gelder, die für die Bezahlung der Planungsleistungen aller daran Beteiligten und später nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens auch des Deichbaues benötigt werden. Dabei handelt es sich um Bundes- und Landesmittel, die nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutz“ zu 70 % vom Bund und zu 30 % vom Land Niedersachsen bereitgestellt werden. In diesem „Topf“ stehen jährlich rund 60 Mio€ zur Verfügung und es ist die Aufgabe des im Lande zuständigen Umweltministers, Entscheidungen darüber herbeizuführen, für welche Projekte im Lande diese Mittel jeweils mit Vorrang verwendet werden sollen. In dem so gesetzten Rahmen entscheidet der NLWKN über die Bewilligung von gestellten Finanzierungsanträgen.
Im Jahr 2019 standen dem Deichverband 85.000 € für die Fortsetzung der Planung Bedeichung der Wolskermarsch zur Verfügung. Für das Jahr 2020 wurden 265.000 € bewilligt. Die Stadt Cuxhaven hat sich mit einem Anteil von 5% an den Planungskosten beteiligt, weil das in den letzten Jahren seitens des Umweltministerium von ihr erwartet wurde und sie den Fortgang der Planung bewirken wollte. Eine Belastung des Cuxhavener Deichverbandes und seiner Mitglieder mit Kosten der bisherigen Planung hat nicht stattgefunden. Allerdings hat der Verband Zeit, Aufwand und seine Fachkompetenz für das Projekt eingebracht, ohne dies bislang vergütet bekommen zu haben.
Nach jetzigem Stand der Planung ist mit Gesamtkosten (incl. Umsatzsteuer) von an die 20 Mio€ zu rechnen. Wir werden diese Zahl nach Planungsstand fortschreiben.
Zeit-Plan
Mit den für Umweltschutz zuständigen Behörden und den Umweltverbänden hat im Frühjahr 2020 ein – wegen der Covid-19-Pandemie schriftlich durchgeführte – Beteiligung mit dem Ziel stattgefunden, den Untersuchungsrahmen für die Umweltverträglichkeitsprüfung festzulegen. Die Planfeststellungsbehörde hat mit Bescheid vom 17.07.2020 entschieden, dass eine Vorprüfung gemäß § 7 Absatz 3 UVPG für das Vorhaben entfällt, und hat den Untersuchungsrahmen für die notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechend den vom Cuxhavener Deichverband vorgelegten Unterlagen festgesetzt. Im September 2020 ist ein Auftrag erteilt worden, um eine Bestandsaufnahme von betroffener Flora und Fauna durchzuführen, die im Oktober 2020 beginnen und ein ganzen Jahr „kartieren“ wird.
Wichtig für die weitere Planung des Deiches ist die Frage, wie die Oberflächenentwässerung der Wolskermarsch mit Deich funktionieren kann. Zur Zeit entwässert die Marsch über ein offenes Gewässer (Gewässer 3. Ordnung), das etwa in ihrer Mitte die Straße Am Sahlenburger Strand quert und dann parallel zur Düne nach Norden im freien Gefälle in das Watt läuft. Die Entwässerung mit Deich planerisch zu konzipieren, ist als Auftrag an ein für Entwässerungstechnik kompetentes Fachingenieurbüro vergeben worden. Drei entsprechende Büros hatten ein Angebot abgegeben. Mit Ergebnissen als Grundlage für die weitere Deichplanung ist im November 2020 zu rechnen.
Ein weiterer erteilter Planungsauftrag soll ein Konzept erarbeiten, welche Bodenerkundungen in der Trasse des geplanten Deiches notwendig sind und welche Bohr- und Erkundungsleistungen dazu dann ausgeschrieben werden müssen.
Wann mit den weiteren Schritten auf dem Weg zur Planfeststellung zu rechnen ist, werden wir fortschreiben, wenn darüber mehr Klarheit besteht.
Mit dem Deichbau ist voraussichtlich nicht vor 2025 zu rechnen.
Stand der Pläne
Aus der Beschäftigung mit ganz verschiedenen Möglichkeiten eines Schutzes für die Wolskermarsch ist eine sog. Vorzugsvariante entstanden, von der wir glauben, dass sie auch Kritiker überzeugen und von möglichst vielen Betroffenen akzeptiert werden kann. Die dazu gehörenden Pläne werden nachfolgend gezeigt und erläutert. Noch sind es Vorentwürfe, die durch die weitere Beschäftigung mit allen Fragen, die geklärt werden müssen, weitere Konkretisierung und auch Änderungen erfahren werden. Am Ende der Planungsphase werden die fortgeschriebenen Pläne dem Antrag auf Planfeststellung beigegeben und die Planfeststellungsbehörde wird nach den gesetzlich vorgeschriebenen Anhörungsverfahren darüber entscheiden. Der Planfeststellungsbehörde werden auch die in Erwägung gezogenen Varianten zur Kenntnis gebracht, für die der Antragsteller sich – aus welchen Gründen auch immer – letztlich nicht entschieden hat.
Die vorstehende Darstellung gibt den Stand vom 01.10.2020 wieder.
Übersichtskarte
Diese Karte zeigt, wo in Cuxhaven die Wolskermarsch liegt. Geschützt werden soll das Gebiet, das zwischen den folgenden 4 Straßen liegt:
Am Sahlenburger Strand
Wernerwaldstraße
Oskar-von-Brock-Straße
Hans-Claußen-Straße
Der geplante Deich wird dann auch das Gelände der früheren Nordheim-Stiftung vor hohen Fluten schützen.
Nur diejenigen Grundstücke gehören später zum Deichverband, die im Schutz des neuen Deiches liegen. Viele höher als NN+ 6m liegende Grundstücke in Sahlenburg, z. B. entlang der Nordheimstraße und in den davon abgehenden Straßen, gehören nicht zu den vom Deich geschützten Gebieten.
Vorzugsvariante
Im Norden bindet der Deich in der Nähe des Neubaus der Klinik in das hoch liegende Geestkliff ein. Der Wander- und Radweg von Duhnen nach Sahlenburg erhält hier ein Überfahrt, so dass er wie bisher genutzt werden kann.
Während die Wattwagen bislang in der Flucht der Hans-Claußen-Straße durch die Düne ins Watt fahren, müssen sie künftig die Deichkrone überwinden. Auf beiden Deichseiten entstehen lange Rampen mit für Wattwagen vertretbarem Gefälle. Für Fußgänger werden daneben Treppen gebaut. Die Deichkrone ist aufgeweitet, um erweiterten „Aufenthaltsraum“ zum Verweilen zu erhalten.
Südlich des Knotenpunkts am Ende der Hans-Claußen-Straße verschwenkt der Deichverteidigungsweg nah an den Deich heran. Östlich davon verläuft parallel zum Deich ein Entwässerungsgraben. Wo der Graben durch den Deich ins Wattenmeer geführt wird, soll eine in Auftrag gegebene Planung von Entwässerungs-Spezialisten ergeben.
Die grün dargestellte Fläche zwischen dem Deich und der Straße Am Sahlenburger Strand wird für die Zwecke des Deichschutzes nicht gebraucht.
Am Ende der Wernerwaldstraße zeigt der Plan eine blaue Fläche. Sie symbolisiert, dass diese Fläche auf die Höhe gebracht werden soll, die die Wernerwaldstraße schon hat. Dadurch entsteht dort eine vielfältig nutzbare Aufenthalts-Fläche, die den seeseitig davor liegenden Deich nicht mehr ganz so hoch erscheinen lässt.
Am südlichen Ende bindet der Deich so in das hoch liegende Gelände des Wernerwaldes ein, dass die Fläche des früheren Marineturms, auf dem inzwischen ein Cafe-Neubau entstanden ist, außerhalb des deichgeschützten Gebietes liegt. Die vorhandene Zufahrtsstraße soll als Deichverteidigungsweg und Überfahrt des Wander- und Radweges nach Arensch genutzt werden. Dadurch wird die Deichüberfahrt an dieser Stelle voraussichtlich eine stärkere Kurve erhalten als das auf dem Plan dargestellt ist.
Profil - hier als Beispiel der nördliche Bereich
Der Deich soll im Landschaftsbild wie die gewohnte Düne in Erscheinung treten. Deutlich höher wird er sein. Auf der Außenseite soll der Deich mit Beton-Verbundsteinen befestigt werden, auf dem Dünensand und Dünenbewuchs auflagernd sich natürlich entwickeln kann. Gleiches kann man in Duhnen südlich der „Duhner Spitze“ (Ecke Wehrbergsweg/Dünenweg) heute schon sehen. Dort sieht man vom den Betonsteinen nur an wenigen Stellen noch etwas.
Die Binnenseite des Deiches wird im nördlichsten Abschnitt auch als Dünenlandschaft in Erscheinung treten. Hier werden aber keine Beton-Verbundsteine verbaut, sondern eine Deckschicht aus Kleiboden, die übersanden und Dünenbewuchs aufnehmen darf.
Im mittleren und südlichen Abschnitt wird die Deichkrone befestigt, so dass auf ihr spazieren gegangen werden kann, wie wir das auch in Duhnen und Döse gewohnt sind. Ob in diesen Abschnitten der Deich als Gründeich in Erscheinung treten soll oder auch wie eine Düne, muss die weitere Ausgestaltung der Planung und die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde ergeben.
Für Impressionen zur Sturmflut vom 3. Januar 1976 klicken Sie hier.
Auch der Dokumentarfilm von Gerd Raulff zur Sturmflut 1976 zeigt die damalige Situation in der Wolskermarsch (ab 23. Minute). Wie knapp die Wolskermarsch bei Xaver am 5./6. 12.2013 einer Wiederholung der Schäden von 1976 entgangen ist, zeigt der Film bei YouTube von Günther Ennulat "Orkan Xaver Sturmflut in Cuxhaven - Dezember 2013".